7. Juli 2011: Let's get started

Nach einer kurzen Nacht, d.h. Aufstehen um 3:15, geht es ab in Richtung  Houston. Meine Frau und die beiden besten Hunde, Bonny und Clyde, bringen mich zum Flughafen. Ein kurzer aber schwerer Abschied - ich werde die drei für mehrere Monate nicht sehen und ich vermisse sie jetzt schon. Um 6:20 geht meine Maschine nach Atlanta um von dort aus über Detroit nach Bangor, Maine zu fliegen. In Detroit erfahre ich, daß mein Flug nach Bangor sich um eineinhalb Stunden verspätet. Ich rechne und stelle fest, daß mein bisher komfortables Zeitpolster in Bangor, um vom Flughafen in die Stadt zum Busbahnhof zu kommen, auf eine knappe Stunde zusammenschrumpft. Ich habe prinzipiell nichts dagegen in letzter Minute irgendwo anzukommen wo ich mich auskenne, aber wenn ich das Terain nicht kenne und nicht weiss wo ich hin muß sieht das anders aus. Ich versuche dennoch zu relaxen und verbringe die paar Stunden auf dem Flughafen in Detroit mit einer meiner Lieblingsbeschäftigungen: Menschen beobachten.
Normalerweise nutze ich Flughafenaufenthalte um meinen Laptop aufzuräumen aber der ist natürlich nicht in meinm Wandergepäck. In Bangor nehme ich mir vor dem Miniflughafen ein Taxi (das einzige, ein alter Buik) zum Busdepot. Nachdem ich dort mein Ticket nach Medway erstanden habe treffe ich auf drei Jungs in ihren Zwanzigern mit großen Rucksäcken - die gehen bestimmt auch wandern - oder? Darauf angesprochen wird schnell klar, wir sind Kollegen. Auch sie wollen sich dem AT stellen und sind die erste Nacht in der gleichen Herberge untergebracht wie ich! Die Anspannung, die uns alle fest im Griff hat lässt das Eis aber nicht wirklich brechen und nachdem wir Namen und Herkunft ausgetauscht haben stockt die Unterhaltung auch schon. So ist der einfahrende Bus die Rettung. Jeder sucht sich im Bus sein eigenes Eck mit Ausnahme der beiden Jungs aus North Carolina die zusammengehören. Als der Bus dann auf dem Highway in Richtung Norden unterwegs ist setze ich mich nochmal kurz mit Jaime von der AT-Lodge in Verbindung um ihr mitzuteilen, dass wir auf dem Weg sind. An einer der nächsten Haltestellen steigt eine ganze Gruppe Amisch-People ein, ich muß immer wieder schmunzeln wenn die sich im Sitz hinter mir unterhalten, denn die Sprache der Amischen ist ‚fast’ Deutsch und ich versteh so ziemlich jedes Wort.
In Medway dann der kurze Stop an einer Tankstelle an der bereits ein großer SUV mit der Aufschrift der AT-Lodge geparkt ist. Ein großer Mann Mitte Fünfzig mit langen grauen Haaren nimmt uns in Empfang und es gibt noch kurz ein paar Unstimmigkeiten ob der Zahl der Fahrgäste die hier vom Bus in den SUV umsteigen. Fast hätten wir einen Wanderrucksack eines Fahrgastes der gar nicht nach Millinocket wollte mit umgeladen. Auf der Fahrt nach Millinocket gibt Paul alias ’Ole Man’ uns erstmal eine grobe Abhandlung für den Aufenthalt in der Lodge und die morgige Fahrt in den Baxter Stat Park, sowie Tips und Erfahrungen, die er in den letzten Jahren als ’Herbergsvater’ und auf seiner eigenen Wanderung 2006 gemacht hat. Nach und nach erzählen dann auch die 5 Fahrgäste (Ich, die drei Jungs und noch ein weiterer mit Trailname 'Freebird') etwas von sich und so ist eine weitere halbe Stunde später bei Ankunft in der AT-Lodge in Millinocket gegen 6Uhr abends auch das Eis gebrochen.
Es folgt einchecken in der Lodge, sprich Anmeldezettel ausfüllen und bezahlen (70 Dollar für Abholung in Medway, Übernachtung im Mehrbettzimmer, Frühstück im Appalachian Trail Cafe, und Absetzen am Fuße von Mt Katahdin - ein angemessener Preis) aussuchen eines Bettes und ‚Inbesitznahme’ desselben und zu guter Letzt das obligatorische Nadelstecken. Auf einer großen USA-Karte an der Wand steckt jeder seine Nadel an seinen Herkunftsort. Natürlich gibt es für Weitgereiste auch eine Weltkarte. Ich stecke 2 Nadeln: Eine im Südosten Texas und eine in Süddeutschland. Ein Versuch meine Frau anzurufen um ihr mitzuteilen daß ich heil angekommen bin schlägt fehl, da mein Handy keinen Service hat - komisch, denn ein Kollege hat den selben Provider (AT&T) und hat vollen Empfang! Ist mein Handy kaputt? Ich krieg die Information, daß ich hier von der Lodge telefonieren kann, free long distance - alles innerhalb der USA; wovon ich dann Gebrauch mache. Mehr oder weniger hungrig begebe ich mich mit den beiden Jungs aus NC auf den Weg ins Dorf um etwas Essbares ausfindig zu machen, die Auswahl ist nicht gerade üppig, aber wir sind auch nicht besonders wählerisch und entscheiden uns für Pizza. In dem kleinen gemütlichen Restaurant erfahre ich dann, daß die beiden gerade mit der Schule (College) fertig sind, ich schätze sie so auf 21-22, und sie, bevor es ins Berufsleben geht eben den AT wandern wollen. In North Carolina aufgewachsen ist ihnen der AT vertraut und bekannt. Auf der Wandkarte in der Lodge war auffällig, wie sich die Nadeln entlang des Trails überhäufen und ja größer die Entfernung zum Trail, desto ‚dünner’ die Nadeln - ich glaube in Texas steckten 4 oder 5. Naja, Texaner sind glaub auch nicht so begnadeten Wanderer. ;-)
Natürlich unterhalten wir uns auch über unsere Beweggründe und wie wir uns grad so fühlen. Es tut gut auszusprechen, daß wir alle grad unheimlich angespannt sind, ob des großen Abenteuers auf das wir uns da eingelassen haben - what have I brought myself into? Und wir sind uns alle einig, daß das Zitat von John Wayne: „Courage is, when you’re scared to death but saddle up anyways“ (Mut ist, wenn Du eine Heidenangst hast aber trotzdem losreitest) im Moment sehr passend ist. Schließlich haben wir alle die Hosen voll, werden aber nichtsdestotrotz morgen aufsatteln und losreiten - sprich Mt. Katahdin besteigen und von da aus Richtung Süden in die Wildnis marschieren.

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