12. Juli 2011: 100 Miles of Wilderness - 3.Tag



Donner und erste Regentropfen auf meinem Zelt wecken mich gegen Mitternacht auf. Gerade noch rechtzeitig um Hut, Schuhe und Stöcke ins Trockene zu holen bevor das Gewitter über uns hereinbricht. Mein 1kg Leichtbauzelt lässt an ein paar Stellen durch und der Eingang muß etwas abgespannt werden. Somit bin ich die folgende Stunde mit Pfützen aufwischen und Lappen  auswringen beschäftigt. Mit meiner Tasse fange ich unter dem gespannten Eingang einen Liter Wasser auf.
Nach dem Frühstück packen wir unsere 7 (oder auch mehr) Sachen, incl. nassem Zelt und ziehen los in Richtung Nesuntabunt Mountain - diesmal mit Hugh und Smokie Bear, jedenfalls die erste halbe Meile. Beim Anstieg zum Gipfel fallen die Jungs zurück: “Geht ruhig weiter, wir kommen gleich“ rufen sie uns zu und nesteln an ihren Rucksäcken herum. Flatlander und ich ziehen weiter und machen noch unsere Scherze, irgendwann heute abend werden sie schon auftauchen - noch nicht ahnend, daß wir die Beiden hier zum letzten mal sehen. Später spekulieren wir noch eine ganze Woche darüber nach, aber letztendlich bleibt nur die Vermutung, daß sie aufgegeben haben.
Der Regen hat die Luftfeuchtigkeit ansteigen lassen und es ist unangenehm schwül. Oben auf dem Berg ist ein kleiner Aussichtspunkt und wir machen eine kleine Pause. Die Luft ist dießig und durch ein Loch in den Wolken erhaschen wir einen Blick auf den unter uns liegenden Nahmakanta Lake, ein sehr interessanter Anblick. Gegen später reissen die Wolken auf und wir können sogar Mt. Katahdin sehen. Hier oben treffen wir auf ein Pärchen Thru-Hiker aus Tennessee, Missing Link und Red Dane, die hier sozusagen kurz vorm Ziel sind. Die Beiden haben die Tour vor 10 Jahren schon mal gemacht, hatten aber inzwischen vergessen wie hart es war.
Die Wurzeln und Steinstufen, die den Berg hinab führen sind nass und rutschig und mit Sorgfalt zu genießen. Unsere Knie schmerzen nach wie vor, bei mir insbesondere das Rechte und jedesmal wenn ich ausrutsche fährt ein stechender Schmerz in eben jenes. Jetzt bloß gut aufpassen und ja nichts kaputt machen!
Kurz nach 11 passieren wir Wadleigh Stream Lean-To, das von etlichen Teenage Jungs be- und umlagert ist. Hier fassen wir am Bach frisches kühles Wasser und lassen uns dann ca. 500 Meter später am Ufer des Nahmakanta Lake nieder um Mittagsruhe zu halten. 
Mit der ‚Ruhe’ ist es allerdings nicht allzuweit her, da auch hier eine Horde französisch sprechender Jungs (die zu denen am Lean-To gehören) sich tummeln und im absolut kristallklaren Wasser des Sees baden. Wir entledigen uns unserer durchgeschwitzten Sachen und tun es ihnen gleich. Das Wasser ist herrlich und ich wasche nicht nur den Schweiß von meiner Haut, sondern auch gleich aus meinen Sachen. Diese können später außen am Rucksack befestigt in der Nachmittagssonne trocknen. Nachdem wir uns gestärkt und ausgeruht haben gehen wir am Ufer des Sees entlang nach Süden. Nach 2 Meilen verlassen wir den See und folgen Nahmakanta Stream für mehrere Stunden. Das Gelände ist (enlang des Sees und des Flusses) ziemlich eben und wir kommen gut voran. Zwar schmerzen Beine und Kniee aber der weiche Waldboden tut gut und die Belastung ist um einiges geringer als Auf- oder Abstieg über Felsen und Wurzeln. Mit einem 2 stündigen ‚Power-Marsch’ schaffen wir es genau um 19:00 zum Boat Dock von White House Landing. Das ehemalige Holzfäller Camp liegt etwa eine Meile abseits vom AT und wird von Privatleuten betrieben. Es ist mehr oder weniger ein Geheimtip, nicht gerade billig, aber viele lassen sich etwas Komfort in der Mitte der 100 Miles of Wilderness auch schon mal was kosten. Ursprünglich hatte ich nicht geplant hier zu stoppen, aber nachdem so viele Leute davon geschwärmt hatten und Flatlander diese Station fest eingeplant hatte lasse ich mich halt überreden. Man kommt auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht aus dem Wald an einen Bootssteg und per Pressluftfanfare signaliseirt man dass man gerne abgeholt werden möchte. 
Kurz nachdem wir das Signal gegeben haben kommt ein Motorboot über die Bucht und holt uns ab. Wir checken für die Nacht im Schlafsaal ein und bestellen gemeinsam eine Pizza zum Abendessen. Wir nutzen die Zeit, bis diese geliefert wird und duschen im Badehaus. Der Platz ist wirklich zum verlieben, mehrere einzelne kleien Gebäude und das Haupthaus sind liebevoll hergerichtet, der Rasen gemäht, eine kleiner Gemüsegarten angelegt und das alles liegt einfach sehr idyllisch direkt am Seeufer.
Als unsere Pizza und die Cola’s von der Dame des Hauses in unser Gebäude geliefert wird lernen wir dort auch Kirk kennen, der schon früher angekommen ist - wir 3 sind die einzigen Gäste für heute Nacht. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile bevor wir müde in die Betten sinken. Als ich nachts kurz raus muß steht ein fast voller Mond über dem gegenüberliegenden Ufer und spigelt sich im See ...

1 Kommentar:

  1. Pizza und Cola, 100 Miles of Wilderness hab ich mir irgendwie anders vorgestellt.

    Aber Amerika ist nicht umsonst das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

    well done

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